Die Tage werden kürzer und die Sonnenstunden in den städtischen Badis am See neigen sich dem Ende zu. Diesen Sommer ist aufgefallen, wie sehr sich die Stadtsilhouette am Seebecken verändert hat. Wer auf einem Boot, Pedalo oder SUP auf dem
Zürichsee unterwegs ist, bemerkt Neuzugänge wie die Fischerhütte (zum dritten Mal neu errichtet) von Patrick Thurston oder die werftartige Wasserschutzpolizei von E2A, dahinter funkelt die Fassade von Krischanitz’ Bau für die Zurich Versicherung.
Genau, richtig gelesen, ganz globalisiert, schreibt sich der Versicherungskonzern, der seit 1901 einen prominenten Platz in der Zürcher Versicherungsmeile einnimmt, ohne ü-Pünktchen. Auch bei der Swiss-Re daneben soll der Standortvorteil eines
Bürocampus an prominenter Lage mit Seesicht dazu führen, die besten Talente anzulocken. Im schattigen Adliswil will niemand mehr arbeiten.
Doch diejenigen, die dort wohnen oder von noch viel weiter weg anreisen, bevölkern jedes Wochenende in Scharen das Seebecken von Seefeld im Osten bis nach Wollishofen im Westen. An heissen Tagen wird es eng: Velos kollidieren mit Fussgängern oder staunenden Touristinnen, die sich zu Recht nicht am Alpenpanorama hinter malerischen Segelbötchen
sattsehen können. Dem absichtsvollen Körperkontakt gewidmet sind die enthemmten Tage der Street Parade. Dann zeigt sich das Seebecken als Bühne, die freilich längst auch kommerziell ausgebeutet wird.
Im schrillen Kontrast dazu funktionieren im städtischen Alltag die Badeanstalten vom Tiefenbrunnen über das Uto, die Badi Enge, das Mythenquai bis zur Badi Wollishofen als kleine und grosse Oasen für die Zürcher Bevölkerung mit oft prächtigem Baumbestand und gepflegter Architektur. Auch mit einigen hier im Heft versammelten Bauten der öffentlichen Hand beweist die Stadt Zürich im internationalen Vergleich gerade am Seebecken, dass sie ihr Territorium nicht allein den Globalplayern oder Kommerzbühnen überlässt, sondern es der breiten Bevölkerung offenhält. Doch manchmal wird beinahe zu fest gepflegt, poliert, aufgeräumt und geputzt – aber so bleibt der Freiraum für alle trotz intensivster Nutzung intakt. — Jenny Keller, Roland Züger