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BSA Bern, Unsere Anliegen, , T. Pulver / W. Hunziker / D. Di Giacinto

BSA Bern Preis 2022 - BFH

BSA Bern Preis 2022 - BFH
© Matthias Käser 2022

Laudatio BSA Preis 2022 - Bachelorarbeit
Betreutes Wohnen im Chlee  -  Dominique Zeller

Das Weiterbauen an einer so markanten und weitgehend unverändert erhaltenen Anlage wie das ehemalige Burgerliche Waisenhaus im Melchenbühl setzt eine dezidierte und angemessene Entwurfsstrategie voraus. Dominique Zellers Herangehensweise an die Entwurfsaufgabe deckt sich auf erstaunliche Weise mit der architektonischen Haltung von Rudolf Benteli, dem Schöpfer der ursprünglichen Anlage.  

In einem Artikel der Schweizerischen Bauzeitung von 1940 über den Benteli Bau wird von bewusstem Verzicht auf (Zitat) „interessante“ Architektur gesprochen, zu Gunsten von dem was zu allen Zeiten gute Architektur ausmache, dem (Zitat) „persönlichen gestaltenden Talent“ und auch von (Zitat) „viel Einfühlungsvermögen in alle Gegebenheiten der herrlichen Lage und in die Anforderungen des Schülerlebens und des Betriebs“…,“so dass man beim Studium der Grundrisse und Abbildungen immer neue Vorzüge des Baues entdecken wird.“ Der gekrümmte Baukörper soll die Kasernenwirkung vermeiden, aber auch den Blick des Knabentrakts auf die Fassade des Mädchentrakts verhindern. Bentelis Ambivalenz zwischen Heimatstil und Moderne war schon 1940 ein Thema.

Der Entwurf von Dominique Zeller zeugt von einem tiefen Verständnis für derartige Subtilitäten im Bestand, aber auch von Eigenständigkeit und Stilsicherheit beim Gestalten der neuen Anlageteile. Die hofartig gruppierten Neubauten respektieren die bestehende Anlage als eigenständige Ganzheit. Für die Neubauten wird in Anlehnung an den Bestand ein unverwechselbarer Bautypus mit flachem Walmdach entworfen, dessen Grundrisse und Schnitte im Innern der Funktion entsprechend angepasst werden. Als konsequente Holzkonstruktionen sind sie kellerlos und vom Erdreich abgehoben. Die über Stufen erreichbaren Veranden im Erdgeschoss erlauben über den Hof hinweg dennoch intensive räumliche Beziehungen zwischen Innen und Aussen. Der gezielte Einsatz der konstruktiven Mittel und die Stringenz, mit der Dominique Zeller Funktion, Konstruktion, Raumbeziehungen, Gestalt und Materialien auf eigenständige Weise zusammenspielen lässt, zeigt sich auch im Detail. Die Fassadenteilung scheint auf den ersten Blick ornamental. Beim näheren Betrachten entpuppt sie sich als ruhig rhythmisierte und mehrschichtige Fassadenkomposition, deren Elemente durch ihre differenzierten Funktionen als Raumfilter, Schattenspender, Rankgerüst oder Schiebeladen formal bestimmt sind. Von der Situationslösung bis ins Detail widerspiegelt sich der gleiche Entwurfsgedanke und verleiht dem gesamten Projekt Kraft und Eigenständigkeit.

Muss gute Architektur spektakulär aussehen? Nein! Dominique Zellers Erweiterungsbauten beziehen ihre starke Anziehungskraft aus der Eigenständigkeit ihrer architektonischen Rezeptur.

220718  Walter Hunziker / Daniele Di Giacinto / Thomas Pulver

Laudatio BSA Preis 2022 - Masterarbeit
Séoul, Stratification urbaine - Noé Bugnon 
Einkaufswelten in Marin - Raphaël Bitzi

Der BSA darf in diesem Jahr zwei Masterarbeiten auszeichnen. Beide behandeln hochaktuelle Themen unserer urbanen Umwelt und beide entwickeln Konzepte zur Neuordnung und Wiederbelebung von Orten, welche durch unkontrolliertes oder undifferenziertes Wachstum zu Unorten geworden sind.

Die Arbeit von Noé Bugnon thematisiert eine „Stadtreparatur“ am Beispiel eines historischen Stadttors aus dem 13.Jh. in Seoul, Südkorea, welches durch das explosionsartige Wachstum und rücksichtslose Verkehrsbauten räumlich aus dem Zusammenhang gerissen worden ist.
Diesem Ort soll durch eine horizontal und vertikal verbindende bauliche Struktur eine neue, starke und traditionsbewusste städtebauliche Identität zurückgegeben werden.

Die Arbeit von Raphaël Bitzi sucht am Beispiel der „Grandes Surfaces“ in Marin bei Neuenburg nach baulichen Eingriffen um diese gigantische Einkaufswüste unter Beibehaltung der wesentlichen Kernstrukturen wieder zu beleben, dem Menschen und der Natur näher zu bringen und in die ortsbauliche Umgebung einzubinden.
Ihre Konzepte entwickeln beide Autoren aus eigenständigen, breit angelegten und tiefgreifenden Studien der örtlichen Problematik und stellen diese in den Kontext globaler Entwicklungen: Noé Bugnon operiert dabei aus einem tiefen Verständnis für die koreanische Tradition heraus, welche in Konfrontation mit der Zerstörungskraft der modernen Stadtentwicklungen steht. Raphaël Bitzi spannt in seiner Analyse den Bogen von antiken Märkten bis zur Psychologie, Strategie und Geografie moderner Verkaufsstätten.

Beide Entwürfe ordnen den jeweiligen baulichen Kontext und die zugehörige Freiraumstruktur auf sinnstiftende Art neu. Dabei wird der Bestand so weit wie möglich erhalten und mit präzisen architektonischen Mitteln gezielt ergänzt. Wesentliche Elemente städtischen Lebens, wie grosse Dichte, Nutzungsdiversität, sowie der menschliche Massstab können so in beide, zum heutigen Zeitpunkt urbane Öden zurückgebracht werden.
Während die bauliche Typologie, das Formempfinden und die Landschaftsgestaltung, aber auch die Projektdarstellung bei Joë Bugnons Projekt unverkennbar koreanische Themen weiterspinnt, stehen die sachliche Stringenz und das massstäblich differenzierte, modulare Denken bei Raphaël Bitzi ganz im Zeichen unserer westlichen industriellen Kultur.

Der BSA gratuliert den beiden Projektautoren für ihre inspirierenden Beiträge und damit auch für ihren implizierten Nachweis, dass globale städtebauliche Probleme letztlich einer lokalen und in die eigene Tradition eingebundenen Lösung bedürfen.

220919 Walter Hunziker / Daniele Di Giacinto / Thomas Pulver