Industriematerialien sind das Fleisch der Bauwirtschaft: Sie benötigen gehörig fossile Energie zur Herstellung, sind CO₂Schleudern und der Umwelt schlecht bekömmlich. Auf der Suche nach Alternativen haben wir uns für dieses Heft nach Pflanzenbaustoffen umgesehen: Holz ist wohl das bekannteste Gewächs, das am Bau zum Einsatz kommt. Der aktuelle Holzhunger kann aber nicht allein aus heimischen Wäldern gestillt werden, weshalb die Transportwege immer in eine umfassende CO₂ Bilanz einzubeziehen sind. Dabei gilt es, die Anbaugebiete der Pflanzenbaustoffe im Auge zu behalten. Wo wachsen Nutzpflanzen, aus denen Häuser gebaut werden können, und wie lassen sie sich regional verwenden? Welche Angebote gibt es bereits auf dem Markt?
An der diesjährigen Swissbau in Basel waren abgesehen vom Holzbau wieder einmal kaum weitere Pflanzenbaustoffe auszumachen. Die Firma Haga Naturbaustoffe bildete eine der löblichen Ausnahmen von der Regel. Produkte aus Stroh, Hanf, Flachs oder Typha zeigen längst, dass fossile durch regenerative Baustoffe substituiert werden können. Gerade der hohe Bedarf an Dämmstoffen lässt sich CO₂neutral nur mit Pflanzenbaustoffen lösen. Wann kommen diese endlich in der Breite zum Einsatz? Und wie können solche Produkte aus den Rückständen oder Abfällen zur Verlängerung der Wertschöpfungskette entstehen, im Sinne des Slogans «From Nose to Tail»?
Dieses Heft zeigt: Bereits jetzt sind zahlreiche Samen ausgestreut, einiges ist am Wachsen – vor allem im Bereich der angewandten Forschung. Wie Holz betören auch andere pflanzliche Baustoffe durch ihr ästhetisches und olfaktorisches Erlebnis. An der Architekturbiennale in Venedig 2023 waren im belgischen Pavillon Wände aus Myzelien zu sehen. In einer schönen Präsentation wurde dieser Naturbaustoff den Besuchenden in allen Facetten vorgestellt – sogar selbstheilende Kräfte werden dem Material zugesprochen. Dennoch: Myzelien sind Pilze und gelten als Zwitterwesen, sie werden inzwischen mehr den Tieren als den Pflanzen zugerechnet. Als strenge Veganerinnen haben wir für dieses Heft also darauf verzichtet. Dennoch warten wir gespannt auf eine erste grössere Realisierung mit diesem neuen Werkstoff. — Roland Züger, Jasmin Kunst, Lucia Gratz