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werk, bauen + wohnen 3–2025

werk, bauen + wohnen 3–2025

Who cares?

Licht, Luft und Sonne – so lautete das Gesundheitsversprechen der Moderne. Heute sind die Ansprüche an eine heilende Architektur sehr viel komplexer geworden. Das zeigt der Spagat, der dem kürzlich fertiggestellten Kinderspital in Zürich von Herzog & de Meuron gelingt: Auf der einen Seite ist es eine effiziente und hochtechnisierte Gesundheitsmaschine, auf der anderen Seite eine freundliche und kindergerechte Wohnumgebung auf Zeit. Das Haus trägt seinen Menschen Sorge – den kleinen Patientinnen und Patienten, deren Familien und auch den Mitarbeitenden, die den täglichen Betrieb am Laufen halten.

Sorge tragen, to care – was heisst das eigentlich genau? Die ETH Zürich hat 2023 einen Lehrstuhl für Architecture and Care ins Leben gerufen, der sich auf «häusliche Lebensweisen konzentriert, auf alternative Pflegearchitekturen und -praktiken, die das Potenzial haben, voreingenommene soziale Strukturen umzugestalten». Die katalanische Architektin Anna Puigjaner leitet diesen Lehrstuhl in der Überzeugung, dass wir alle «im Leben unterschiedliche Arten der Pflege leisten und empfangen.» Folgt man ihrer Definition, umfasst der Begriff der Fürsorge also nicht allein das Entwerfen von Spitälern und Pflegeeinrichtungen. Es geht darum, den Blick zu weiten, wie Pflegearbeit heute geleistet wird, von wem und welchen Einfluss die Architektur darauf hat – positiven wie negativen. Denn Care-Arbeit ist mit alltäglichen Tätigkeiten verbunden, wie Hausarbeit, Ernährung oder Kindererziehung – und diese wird immer noch oft von Frauen, oft unbezahlt und oft in der Privatheit des Zuhauses verrichtet. Sie ist «allgegenwärtig und gleichzeitig unsichtbar.»

Den Blick weiten – dazu soll dieses Heft einladen. Wir schwenken den Fokus dieser Ausgabe bewusst weg von klassischen Alterszentren oder Pflegeheimen. Denn Räume der Fürsorge müssen nicht exklusiv sein und die Nutzenden in «alt» oder «jung», «pflegebedürftig» oder «gesund» einteilen. Räume der Fürsorge können offen sein: zugängliche Orte, in der Mitte der Gesellschaft, die es erlauben, einander und sich selbst Sorge zu tragen. — Jasmin Kunst