Noch leise, aber man spricht von der Siedlungsentwicklung (SEin) nach innen. SEin ist der raumplanerische Grundsatz seit der Gesetzesrevision 2013. Es sollen keine neuen Bauzonen mehr geschaffen werden. Ein guter Grundsatz! Wie diese Zielsetzung allerdings umgesetzt werden soll ist nicht nur eine Frage raumplanerischer Vorgaben, sondern vielmehr eine Frage städtebaulicher Gesinnung, wie das Beispiel in Biel zeigt.
Madretsch, heisst der Ort, seit 1920 eingemeindet. Vorstadtgebiet, grosse Strassenkreisel mit klingenden Namen wie Pianoplatz und eine heterogene Überbauung aus der Nachkriegszeit prägen das Siedlungsbild. Ein Mischmasch wie vielerorts. Zurückversetzt zwischen den grösseren Bauten eine Bauzeile mit Lücke. Andere würden hier ein zu entwickelndes Areal ausmachen. Doch hier lebt ein Künstlerpaar, das die Lücke füllen will. Mit einem Atelierhaus, das Werkplätze anbietet.
Fünf Ebenen hat das Haus und eine Vorder- und eine Rückseite! Im Parterre die zweigeschossige Bildhauerwerkstatt, darüber drei Atelieretagen, dann das gemeinschaftliche Dach (mit Bad und Küche), das einen grandiosen Blick über die Stadt und bis zum See gewährt. Strassenseitig ist nur das Werkstatttor und ein schmaler Durchgang, der auf die Rückseite des Hauses führt. Da befindet sich die gross angelegte Treppe im Freien, die bis zur Dachterrasse führt. Eine Treppe wie ein Hinterhaus und sicher ein Begegnungsort für die Künstlerinnen und Künstler.
Die Architektur ist einfach. Einfach in einer Art, die Mut macht, nach dem Wesentlichen zu suchen. Das Haus hat eine direkte, unzimperliche Ausstrahlung. Es ist dazwischengequetscht, aufgestengelt und fällt aus dem Rahmen. Wer Einordnung verordnet würde diese Frische abmurksen, die dem Ort gut tut. So kann man Siedlungsentwicklung nach innen auch angehen. Ivo Thalmann ist der Autor.
vorgestellt von Patrick Thurston