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BSA Bern, Architecture elsewhere, , Patrick Thurston

Italienische Reise – Urbino II

Italienische Reise – Urbino II

Istituto Statale d’Arte von Urbino

Ich erinnere mich nicht, was im Touring Club Führer von 1986, den mir Franz Füeg hinterlassen hat, über Urbino steht. Sicher bin ich, dass der Architekt Giancarlo De Carlo mit keinem Wort erwähnt wird. Da muss man schon „Una giornata a Urbino con Giancarlo de Carlo“ dabei haben, ein Büchlein, das mir Jürg Schweizer jetzt in den Briefkasten legte (siehe hier). So gut war ich aber nicht vorbereitet.

Etwas ganz anderes klang in mir aber an. Das gehauchte Ahh! von Franz Füeg. In seltenen Fällen, wenn er etwas Herausragendes andeutete oder eine knappe Würdigung aussprach, endete diese Äusserung mit einem in die Weite gehauchten Ahh! So, wie wenn man den Kern einer Sache nicht mit Worten fassen könnte oder weil die Architektur, die er beschrieb, nach seinem Dafürhalten von einem grossen Atem beseelt ist. Ahh!

Gerne würde ich Franz Füeg fragen, ob er Giancarlo De Carlo gekannt habe, ob dieser auch an den Diskussionen in Stedelijk Museum in Amsterdam teilnahm, zusammen mit Jacob Bakema, Aldo van Eyck und den anderen vom Team X? Füeg hatte Jahrgang 1921, van Eyck 1918, Bakema 1914, Giancarlo De Carlo 1919.

Mit dem Ahh! von Franz Füeg war auch eine leise Mahnung verbunden, so kam es mir jedenfalls vor, ja keine Festschreibungen oder Verkürzungen zuzulassen und zuerst in die Stille zu horchen, wenn man Worte für die Qualität einer Arbeit finden will.

Teil 9: URBINO II: Der Montag, 31. August 2020 ist ein verregneter Tag. An unserem Weg von der Calduca in die Stadt liegt das Istituto Statale d’Arte von Urbino. Ein eigenartiges Bauwerk mit geneigten Sheddächern aus Blech. Etwas heruntergekommen. Wir treten an der Seite ein, sieht eher aus wie ein Nebeneingang. Kein Mensch da, alles düster, Stillstand. Über mehrere Treppen von deren Podesten man in die Ferne sieht, gelangen wir ins oberste Geschoss. Hier gibt es einen begrünten, dreiseitig umschlossenen Innenhof, wie ein kleines Tal zwischen Hügeln – les Combes. Und an einer Seitenwand hinter Glas eine Kopie des Planes UR 126/8, PROGETTO DI MASSIMA, piante e sezzioni, 15.12.70 mit Originalunterschrift: Giancarlo De Carlo.

Hätte ich nur den ganzen Plan fotografiert! Aber da waren Spiegelungen des Bandfensters zum Innenhof und in diesem Moment tauchte eine Mitarbeiterin des Sekretariats auf die erstaunt fragte, was wir den hier täten? Ahh! wir seien begeistert von der Arbeit Giancarlo De Carlos, extra aus der Schweiz angereist, ob uns nicht jemand führen könnte? Im Eiltempo zeigte uns dann der Typografie-Lehrer die Schule begleitet von Bemerkungen, „sie wüssten nicht, wie der Unterricht jetzt abzuhalten sei, Teambesprechungen seien jetzt ja nicht mehr möglich.“ Alles schien im Umbruch obwohl der Beginn des Semesters kurz bevorstand.

Beim Gang durch die Schule, von oben nach unten, von Atelier zu Atelier, über Wendeltreppen von einer Galerie zur nächsten, wurde klar, dass in diese Schule der Austausch unter den verschiedenen Disziplinen und damit der freie Fluss von Gedanken, Haltungen und Erfahrungen von zentraler Bedeutung ist. Hier formt die geistige Konzeption oder die Vorstellung, wie eine Schule sein kann, den Raum und das Bauwerk. In Text „Come costruire edifici scolastici“ forderte Giancarlo De Carlo, „die Schule darf keine Insel sein, sondern ein Teil des äußeren Umfeldes ... sie darf kein fertiges Objekt sein, sondern eine Struktur, die sich in das Gefüge der sozialen Aktivitäten verzweigt.“ Was wünscht man sich anderes als einen nährenden Ort des Austausches, der das Heranwachsen einer eigenen künstlerischen Sprache unterstützt!

Im Istituto Statale d’Arte von Urbino überspannen fallende Sheddächer über drei Geschosse die Ateliers. Ein Flächentragwerk bildet den Dachhimmel, nach Norden geschuppt um regelmässiges Llicht in die Ateliers zu bringen.

Als Mitarbeiterin arbeitete Susanne Wettstein (siehe hier) am Projekt, Vittorio Korach fungierte als Ingenieur, Emilio Vian sorgte für die Installationen. Vom Istituto Statale d’Arte wurde nur die eine Hälfte gebaut. Als Ganzes würde es direkter an die Stadtmauern anschliessen und rittlings auf dem Kamm des Hügels von Urbino hocken.

Fragen wir uns heute noch, aufgrund welcher geistigen Konzeption ein Bauwerk geformt wird und wie es den Menschen dienen kann? Ich würde mich freuen über einen Austausch zu dieser Fragen.

Vorgestellt von: Patrick Thurston