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Nachruf Frank Geiser

Nachruf Frank Geiser
© Spengler Jonas

Frank Geiser. 1935-2024 

Ist Architektur eine autonome Disziplin oder soll sie auf politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Strömungen reagieren? Weltbevölkerung 2.8 Milliarden im Jahr 1955 zu Beginn von Geiser Architektenlaufbahn – Europäische Gemeinschaft – Studentenunruhen – Mondlandung – Ölpreisschock – Erfindung des Internets – Google – Jahrtausendwende – Einführung des Euro – Finanzkrise – Weltbevölkerung 7.4 Milliarden im Jahr 2015. In den sechzig Jahren seiner Bautätigkeit änderte Frank Geiser seinen Entwurfsansatz nie. Trotzdem konnte er über die Jahrzehnte immer wieder grosse Wettbewerbe für sich entscheiden: dank städtebaulichen Qualitäten und trotz zunehmend fremder Architektursprache. Sich vom Zeitgeist weder beeinflussen noch vereinnahmen zu lassen, ist eine Herkulesaufgabe. Die grosse Leistung Frank Geisers liegt darin, die Möglichkeit der Moderne in einer Zeit, die lieber rückwärts als vorwärts schaut, beispielhaft weitergetragen zu haben. Diese Eigenständigkeit hat sich früh abgezeichnet.

Geboren 1935 in Bern, verbrachte Frank Geiser die Jugend- und Schulzeit in Köniz und Liebefeld. Seine Mutter, Frieda Donath, engagierte sich in Herrliberg am Zürichsee in der Mazdaznan-Bewegung, einer reformreligiösen Lehre, sein Vater leitete das erste Reformhaus in Bern. Das familiäre Umfeld war geprägt vom Versuch, dem traditionellen Familienleben eine alternative Form entgegenzusetzen. Geisers assen vegetarisch, meditierten und besuchten Kurse bei Johannes Itten. Nach der obligatorischen Schulzeit ging Geiser nicht ins Gymnasium, sondern begann 1951 bei Hermann Steffen eine Hochbauzeichnerlehre, wo er mit Niklaus Morgenthaler und Hans Brechbühler in Kontakt kam. Das Neue Bauen hatte auch in der konservativen Stadt Bern mit der Gewerbeschule von Hans Brechbühler oder dem Loryspital von Otto Rudolf Salvisberg Spuren hinterlassen. 

Studium in Ulm und Aachen
Zwei Jahre nach Abschluss der Lehre bewarb sich Geiser im Jahr 1956 mit einer Mappe aus Arbeiten eigener und angestellter Tätigkeit, Freihandzeichnungen und dem Nachweis einer umfassenden Allgemeinbildung an der neu gegründeten Hochschule für Gestaltung Ulm für einen Studienplatz in Architektur – verglichen mit der heute üblichen Matura ein anspruchsvolles Zulassungsverfahren. Der Reigen an gewichtigen Namen des modernen Bauens in Ulm war eindrücklich: Buckminster Fuller, Frei Otto, Konrad Wachsmann (der hier seinen Wendepunkt im Bauen schrieb), aus der Schweiz Max Bill oder Lucius Burckhardt. Im Jahr 1953 unterbrach Geiser das Studium für ein Jahr, um in Aachen an der RWTH den in Ulm fehlenden Unterricht in Städtebau nachzuholen. Das Architekturstudium schloss er im Jahr 1960 mit dem Diplom ab. 

Bei seiner Rückkehr in die Schweiz standen in Bern die Zeichen auf Wachstum und Aufbruch. Im Westen der Stadt entstand die Grosssiedlung Tscharnergut, auf der Waldlichtung in Herrenschwanden die Halensiedlung, Harald Szeemann kuratierte die Kunsthalle und in den Kellern der Lauben sangen die Troubadouren. 

Ein erfolgreiches Berufsleben
Erst 27-jährig, machte sich Frank Geiser 1962 selbstständig. Den Entwurfsansatz brachte er aus Ulm mit: «ein auf technik und wissenschaft abgestütztes modell des design. der designer ist nicht mehr übergeordneter künstler, sondern gleichwertiger partner im entscheidungsprozess der industriellen produktion.»[1] Die ersten Erfolge liessen nicht lange auf sich warten. Die beiden freistehenden, pavillonartigen Geschäftshäuser an der Thun- und an der Jungfraustrasse (1962, 1966) im Villenquartier Kirchenfeld wirken pionierhaft. Der Gebäudekörper schwebt über dem Terrain, der Grundriss ist modular, die Gebäudehülle ein Vorhang aus Aluminium und Glas, den sommerlichen Wärmeschutz übernimmt die Klimaanlage, die Gestalt ist kompromiss- und zeitlos: So viele Materialien und Formen wie nötig, so wenig Design wie möglich. In der Folge wurden die Bauten grösser, die Gewerblich-Industrielle-Berufsschule Bern GIBB (2000) bildete den Höhepunkt. Frank Geiser schaffte mit dem Campus der GIBB den Spagat zwischen Tradition und Moderne. Ein filigranes Stahl-Glas-Gerippe komplettiert den Stadtraum des 19. Jahrhunderts, übernimmt das Lichtraumprofil des Blockrands, dessen Traufhöhe und Geschossigkeit. Die Verlängerung der Jurastrasse nach Süden verbindet den Campus mit der Gewerbeschule von Hans Brechbühler. Die Verzahnung mit dem Quartier geht so weit, dass der westliche Gebäudeflügel direkt an die bestehende Wohnzeile andockt und die Aula dem Quartier für Anlässe offensteht. Welche Selbstverständlichkeit und Eleganz! 

Frank Geiser ist im Alter von 89 Jahren mit der Überzeugung gestorben, die einzig mögliche Architektur verfolgt zu haben. – Jürg Graser

[1] Konrad Tober, Frank Geiser Architekt. Zürich 2016, S. 18. 

Verfasst von Jürg Graser