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BSA Bern, Architettura altrove, , Patrick Thurston

Italienische Reise – Santa Maria

Italienische Reise – Santa Maria

Santa Maria in Valle Porclaneta & Santa Maria Assunta e Oratorio di San Pellegrino Bominaco

Die Abruzzen sind weitläufig. Gabriele empfahl uns, die Trabocchi, deutsch Fischergalgen (siehe hier) am Meer nicht zu missen und dort „Agostinelle“, winzige Seebarben, zu essen. Doch die Berge liessen uns nicht los. Wir wollten den Gran Sasso noch sehen und die Gespräche mit den alten Männern im Dorfkaffee in Castelmonte weiterführen. Für den Besuch von zwei Marienkirchen machten wir eine Ausnahme.

Teil 6: SANTA MARIA IN VALLE PORCLANETA: Das Marienbild befindet sich weit vorne im Kirchenschiff, auf einer Stütze nahe dem reich gezierten Ziborium (Altarbaldachin), welches fünft Stufen über dem Kirchenboden steht. Das Gewand der Maria erinnert mich an sinnlich gemalte, zeitgenössische Kunst oder an die Rosenbilder von Cy Twombly, bei denen die Gestik des Malens so unmittelbar erscheint. Diese Frische oder Unmittelbarkeit des malerischen Ausdrucks berührt und wirft zugleich die Fragen auf, wie alles in dieser Kirche zusammenkommt. Das Marienbild scheint aus einer anderen, späteren Tradition zu sein als das fein gearbeitete Ziborium. Der Gestus der Malerei ist untypisch, in gewisser Weise abstrahiert, modern. Überhaupt ist man an diesem Ort überwältigt von der Gleichzeitigkeit unterschiedlichster „Sprachen“, derer sich die Handwerker und Künstlerinnen zu verschiedensten Zeiten hier bedienten.

Im Kirchenschiff sehr präsent sind die in hellem Kalk oder Marmor gearbeiteten Steinmetzarbeiten mit reicher Flechtbandornamentik. Darstellungen der Evangelisten sowie mythischen Fabelwesen, feinste Säulen und Kapitelle. Unweigerlich bin ich wieder an die Langobarden erinnert (siehe hier), deren Flechtbandkunst in vielen mittelalterlichen Kirchen Italiens anzutreffen ist. Hier aber, in Santa Maria in Valle Porclaneta ist ein Ganzes zu bestaunen, zu dem auch der Lettner in reich geschnitztem Holz gehört, der an nordische Ornamentik aus Irland oder Norwegen erinnert. Ornamentik wie bei den Wikingern, dazu feinteilige architektonische Elemente, Bogenreihen mit Doppelstützen, Stützen die so filigran sind wie diejenigen, die aussen frei vor der Chorwand stehen, auf der Ostseite der Kirche. Am Lettner wie an der Choraussenwand gibt es Fabelwesen und Tiere, auch Engel! Was sind das für Leute, die solches schaffen konnten? Wie muss man sich ihre Kultur vorstellen? Und offenbar hatten diese Menschen kein Problem damit, an den massiven, älteren Hauptpfeilern, die den dreigliedrigen Raum der Kirche bilden, ganz andersartige Kunst zu akzeptieren.

Hier ist Sonderbares zu sehen: zeichenhaft gestochene Darstellungen von Tieren, Menschen und Pflanzen sowie einfache Motive, die als Sonne und Wasser gelesen werden können. Eine Schlange windet sich zur Schlinge. Die ganze Anmutung dieser Zeichen zeugt von einer mythischen Wahrnehmung der Welt. Parallelen zu Werken der Arte Povera sind unverkennbar! Auch wenn vielleicht 1500 Jahre dazwischen liegen. Ob der dargestellte Mensch ein Priester oder ein Zauberer ist spielt keine Rolle, weil seine Ausstrahlung an Bilder von Märchen oder mythischen Zeremonien erinnert. Die antiken Völker der Marser, Sabiner und Samniten lebten hier in den Abruzzen. Sie galten als Schlangenzähmer und mythischen Erzählungen zufolge stammen sie von der Zauberin Kirke ab.

Sind das Nachwehen einer antiken Kultur, die mit archaischen Zeichen ihre Welt zum Ausdruck brachten? Bezirzt hat mich dieser Ort auf jeden Fall und so wären wir wieder bei Kirke, der Tochter von Helios und Perse.

Oratorio di San Pellegrino Bominaco

Santa Maria Assunta e Oratorio di San Pellegrino Bominaco

Nach Bominaco will ich wieder gehen, auch weil Letizia, die Frau von Nicola (siehe hier), hier ein Restaurant eröffnen will, in dem die Wildpflanzenküche und der Zafferano di Navelli eine wichtige Rolle spielen sollen. Also gleich ein Rezept von Letizia zum ausprobieren (Rezept hier).

Die beiden Kirchen in Bominaco begeistern; Santa Maria durch den krassen Längsbau und die wundervolle Steinmetzarbeit der drei Absiden. San Pellegrino ist ein Farbenrausch und räumliches Wunder. Hier tragen die gemauerten Spitzbögen den vierteiligen Gewölberaum. Jede Stütze wäre hier ein Problem, weil das ein grosses, wundervolles Weltenzelt oder Himmelszelt ist. Das ist Hallelujah!

Liest das überhaupt jemand? Ich würde mich freuen über einen Austausch zu diesen Fragen.

Vorgestellt von: Patrick Thurston