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werk, bauen + wohnen 6 – 2023

werk, bauen + wohnen 6 – 2023

Wie geht ökologischer Fortschritt?

Wer durch dieses Heft blättert, mag sich fragen, wo denn nur die spektakulären Hochleistungsstrukturen geblieben sind. Tatsächlich kommen die meisten hier vorgestellten Zeugen eines ressourcen- und klimaschonenden Fortschritts eher handwerklich, robust und einfach daher: mit Naturstein aufgemauert oder filigran in kleine Spannweiten gegliedert. Aus der Weiterverwendung bestehender Strukturen spricht der ökologische Gedanke genauso deutlich wie aus findigen Konzepten zur Verwendung regional verfügbarer Ressourcen. Wenn eben von Fortschritt die Rede war, so geht es auch um eine Alternative zum gewohnten Wachstumsstreben, das noch schneller, noch grösser und noch höher impli-ziert. Die gezeigten Beispiele sind Stationen auf dem Weg zu einem nachhaltigeren und CO₂-reduzierten Bauen. Bei all den Unbekannten dabei ist klar, dass dieses die Grundlage der Architektur werden muss.
Der Weg ist durch mehrere Möglichkeiten vorgezeichnet: Im Gespräch erläutern die Bauingenieurin und der digital agile Architekt, dass forschende Architektur einer quantitativen Entwicklung im Wege stehen kann. Leuchtturmprojekte definieren neue, ökologische Standards, sind aber oft an Erkenntnisprozesse gebunden, die lange dauern – und für die wir eigentlich keine Zeit haben. Handeln müssen wir.
Wie es anders geht, zeigt ein nachhaltiges Wohnbauprogramm auf den Balearen. Das Experiment verteilt sich hier in kleinen evolutionären Schritten auf mehrere Projekte und entfaltet damit zügig Breitenwirkung. Nicht die eine Lösung, sondern mögliche Variationen sind das Ziel. Der Prozess ist mit einem Bau nicht abgeschlossen, empirisch gewonnene Einsichten fliessen gleich ins nächste Projekt.
In diesem Spannungsfeld unterschiedlicher Stossrichtungen sind Architekturschaffende gefragter denn je. Kurzum: Es reicht nicht mehr zu
sagen, dass Nachhaltigkeit nicht möglich war, weil sie etwa von der Bauherrschaft zu wenig nachgefragt wurde. Das Thema gehört von Anfang an in jede Sitzung, längst ist es für manche zum produktiven Entwurfsfaktor geworden. Dass dabei der Art der Konstruktion und dem Entscheid für eine Bauweise eine bedeutende Rolle zukommt, zeigt dieses Heft. — Lucia Gratz, Tibor Joanelly